
Tatsächlich ist allen großen griechischen Denkschulen gemeinsam, dass man einen souveränen und gelassenen Zustand anstrebt.
Die Gemütsruhe Demokrits und Zenons ist der Unerschütterlichkeit der pyrrhonischen Skeptiker und der Epikureer nahe verwandt. Und auch das platonisch-aristolelische Ideal einer vortrefflichen Seelenruhe ist nicht ganz weit davon entfernt.
Sosehr man sich im Einzelnen erbittert anfeindet – in der Frage, was ein wünschenswerter Gemütszustand sein soll, sind sich die griechischen Philosophen ziemlich einig. Strittig dagegen ist, wie viel Gemeinschaft, Gesellschaft und Politik zu einem gelingenden Leben gehört. Und kontrovers ist ebenfalls, wie viele körperliche Freuden und Annehmlichkeiten ein weiser Mensch sich bereiten oder zulassen soll.
– David Richard Precht, Eine Geschichte der Philosophie, 2015, S. 357, Wilhelm Goldmann Verlag
Wer würde nicht gern von sich behaupten, er hätte eine unerschütterlich Gemütsruhe, gar eine vortreffliche Seelenruhe. Definitiv ein wünschenswerter Zustand, eine Immunität gegen das Plötzliche, eine Resistenz gegen graue Launen, eine komplette Angstfreiheit.
Interessanterweise geht mir allerdings auch gerade durch den Kopf, inwieweit eine Teilnahme an „Gemeinschaft, Gesellschaft und Politik“ eine Art Pflicht für ein gelingendes Leben darstellt – da kann ich die Konsensschwierigkeiten der älteren Herren aus der noch viel älteren Antike sehr gut nachvollziehen. Zumal „körperliche Freuden und Annehmlichkeiten“ in der Tat oft im starken Kontrast zu jeglichem geistigen Sinngehalt stehen – aber ja irgendwie auch dazugehören müssen 😉
Aber zurück zur Angstfreiheit, zur Gemütsruhe – zur Gelassenheit. Bereits in zugehörigen Seminar schien es mir schwer denkbar, angesichts allem was uns heutzutage so umgibt, Ruhe zu bewahren. Mag damals auch an den parallelen Seminaren rund um Weltpolitik, Wahrheit und Wagniskapital gelegen haben, dessen Farbe gerade noch an Teilen meines Gedankengebäudes trocknete. Mag damals daran gelegen haben, dass ich mich von finanziellen Verpflichtungen und zwischenmenschlichen Beziehungen sehr stark eingeengt gefühlt habe (oder waren es finanzielle Beziehungen und zwischenmenschliche Verpflichtungen?). Oder daran, dass ich mich mal wieder völlig lost auf der Suche befand, wie schon manches mal in den zurückliegenden 30 Jahren.
Mittlerweile denke ich, dass ein Zustand von Gelassenheit in Form eines Urvertrauens (welches uns seit der Geburt wieder und wieder genommen wurde – and they keep‘ on tryin‘) wirklich möglich ist und diese Haltung fällt mir gerade irgendwie einfach zu. Vielleicht auch, weil derzeit so viel für mich Wegbestimmendes passiert, die Scheuklappen wegbrechen und der Horizont plötzlich so weit eröffnet ist und frische Atemluft meine Lungen durchdringt.


Das wird sich bestimmt wieder ändern! Aber wenn man eine Angst überwindet, indem das eintritt, wovor man Angst hat – und es trotzdem weitergeht, ja unheimlich gut läuft – wirbelt einen dies mit unbeschreiblicher Kraft nach vorne.
Wenn das Leben Mathematik ist (da gibt es ja glaub ich ein paar Leute, die sich mit dieser These nachts in den Schlaf lullen), ist es eine steigende Sinuskurve – und die längst passierten Täler unserer Wanderung sind mit jedem Schritt ein klein bisschen weniger zu erkennen, während das Sonnenlicht auf den heute noch von Schnee bedeckten Gipfeln glimmt:

