Zeit – Gegenwart – Moment – Augenblick

Zeit Augustinus

Bei der Lektüre von Prechts Philosophiegeschichte bin ich heute bei einem Abschnitt hellhörig geworden, in dem es um „Zeit“ geht – genauer gesagt um Augustinus‘ Gedankenkonstrukt von Zeit.

AugustinusZur Person: Als einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike bzw. der Patristik hat Augustinus das Denken des Abendlandes wesentlich geprägt. […]
Augustinus war zunächst Rhetor [ein Redner oder – als Theoretiker – ein Lehrer der Beredsamkeit] in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand. Unter dem Einfluss der Predigten des Bischofs Ambrosius von Mailand ließ er sich 387 taufen; von 395 bis zu seinem Tod 430 war er Bischof von Hippo Regius. (Quelle: Wikipedia)

Kommen wir direkt zur Prechts gut ausformulierter Interpretation:

Tatsächlich existiert, nach Augustinus, Zeitnur dadurch, dass jemand ein Bewustsein von Zeit hat. Dieses subjektive Zeitempfinden ist übrigens immer nur eine Zeit: nämlich die Gegenwart.

Selbst wenn ich an die Vergangenheit oder an die Zukunft denke, denke ich gegenwärtig an die Vergangenheit oder Zukunft.

Zeit ist stets hier und jetzt. Oder mit Augustinus gesagt: Es gibt „Gegenwart von Vergangenem, Gegenwart des Gegenwärtigen und Gegenwart des Zukünftigen. Denn diese drei sind in der Seele, und anderswo sehe ich sie nicht. Gegenwart des Vergangenen ist die Erinnerung, Gegenwart des Gegenwärtigen die Anschauung, Gegenwart des Zukünftigen die Erwartung“.

Für die Philosophiegeschichte ist Augustinus‘ Definition der Zeit von höchster Bedeutung. Der griechische Begriff von >>Zeit<< war fast duchgängig ontologisch. Zeit wurde als etwas >>an sich<< Seiendes verstanden, selbst wenn Aristoteles einräumen musste, dass diese objektive Zeit immer nur relativ erfahrbar ist. Augustinus geht sogar noch ein ganzes Stück über Aristoteles hinaus, wenn er Zei zu einer rein subjektiven Sache erklärt, nämlich zu einem Bewusstseinsinhalt.

Für Augustinus hatte diese Beobachtung einen theologisch wichtigen Kern. Es gibt nämlich keine zwei Zeiten, eine irdisch vorhandene und eine ewige göttliche. Es gibt göttliche Zeitlosigkeit auf der anderen Seite. Die Kluft, die beides trennt, trennt mehr als nur zwei Welten: Sie trennt das Vergängliche und Unwesentliche des irdischen Menschenlebens von der über alle Zeit erhabenen ewigen Vollkommenheit Gottes.“


Quelle: David Richard Precht, Eine Geschichte der Philosophie, 2015, S. 396, Wilhelm Goldmann Verlag

Zeit treibt uns manchen Tages durch den Alltag. Wir planen unsere Tagesabläufe, nehmen uns „Zeit für etwas“. Doch sind die Zeiteinheiten, in denen wir Zeit verstehen, überhaupt gleichwertig? Kann ich mir „2 Stunden nehmen“ für etwas und es ist egal, WANN ich mir diese Zeit nehme? Oder ist Zeit nicht vielmehr abhängig davon, ob ich mir morgens 2 Stunden nehme, anstatt abends? Ob ich diese Zeit konzentriert nutze (bzw. nutzen kann) oder abgelenkt bin? Die Quantifizierung von Zeit in 24 Stunden oder 7 Tage oder X Jahre ist gefährlich. Denn dies verkennt, dass gewisse Stunden eines Tages womöglich wertvoller bzw. „anders“ sind als andere. Dass gewisse Lebensphase mehr bergen, als andere, dass es eben nicht egal ist, wann ich mir Zeit für etwas „nehme“.

Vielleicht ist „Zeit nehmen“ an sich schon nicht möglich. Die Zeit muss mir den Bewusstseinszustand und die Eingebung geben, um gewisse Dinge zufriedenstellend zu tun.

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